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6. Menschen in Pflegeberufen

Die Gewinnung und Qualifizierung von Personal wird eine der zentralen Herausforderungen in der ambulanten und stationären Pflege in der Zukunft sein.

Basierend auf den Daten des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg standen im Landkreis Tuttlingen im Jahr 2013 für insgesamt 3.642 Pflegebedürftige in den stationären und ambulanten Einrichtungen 1355 Beschäftigte zur Verfügung. Die Zahl der Beschäftigten hat gegenüber dem Jahr 2011 um 136 Beschäftigten oder 11,2 Prozent zugenommen, gegenüber dem Jahr 2003 betrug die Zunahme 417 Personen und damit 44,5 Prozent. Im Vergleich zur Entwicklung in Baden-Württemberg war der prozentuale Anstieg im Landkreis Tuttlingen höher. Verantwortlich dafür war vor allem die Zunahme der Beschäftigten in der stationären Pflege. Dieser Anstieg ist darauf zurückzuführen, dass in den letzten Jahren weitere Dauerpflegeplätze im Landkreis Tuttlingen geschaffen wurden.

Abbildung 9: Zunahme des Pflegepersonals von 2011 auf 2013 in Baden-Württemberg und im Landkreis Tuttlingen

Im Bereich der Pflege wird deutschlandweit ein flächendeckender Fachkräftemangel an examiniertem Pflegepersonal festgestellt und vorhergesehen. Nach einer Modellrechnung des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg wird sich der Pflegekräftebedarf von 2011 bis zum Jahr 2030 voraussichtlich um 53.000 Personen erhöhen. Dies entspricht einer Steigerung von 45 Prozent.21 Die Berechnung ergibt für den Landkreis Tuttlingen einen zusätzlichen Bedarf an Pflegekräften bis zum Jahr 2030 von rund 600 Personen.

Schwierigkeiten bei der Besetzung offener Stellen ergeben sich aus unterschiedlichen Gründen. Genannt werden häufig die geringe Attraktivität von Pflegeberufen bei gleichzeitig anspruchsvoller und anstrengender Tätigkeit sowie die beruflichen Rahmenbedingungen (Schicht- und Wochenenddienst, Arbeitsbelastung und Bezahlung), aber auch ein schlechtes öffentliches Image von Pflegeberufen. In diesem Zusammenhang sind ein tariflich vereinbarter Lohn, eine angemessene Arbeitsbelastung, die den Pflegekräften genügend Zeit für die Versorgung der älteren Menschen einräumt sowie gute Arbeitsbedingungen (eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die Reduzierung von unfreiwilliger Teilzeit) wichtige Kriterien zur Steigerung der Attraktivität des Pflegeberufs.22

Angesichts der Zunahme der Einpersonenhaushalte, der gestiegenen gesellschaftlichen Mobilität und damit einhergehenden zunehmenden räumlichen Distanz zwischen Eltern und Kindern sowie einer höheren Erwerbsbeteiligung von Frauen ist davon auszugehen, dass pflegebedürftige Menschen künftig weniger Unterstützung aus dem unmittelbaren familiären Umfeld erhalten und sich somit die Tendenz zu professioneller Pflege in Zukunft verstärken wird. Eine Verschärfung der Situation ist darüber hinaus infolge der Überlastung des vorhandenen Personals im Zuge wachsender Anforderungen in der Pflege und eines gleichzeitig steigenden Altersdurchschnitts der Pflegefachkräfte zu erwarten.23

Lösungsansätze für den zunehmenden Fachkräftemangel in der Pflege werden auf breiter Basis diskutiert, sind derzeit aber noch nicht absehbar.

Im Bereich Ausbildung und Qualifizierung gibt es einige Initiativen auf Bundes- und Landesebene. Zielsetzung der Initiativen sind die Erhöhung der Ausbildungskapazitäten, Erleichterung von Weiterqualifizierungen, die Förderung von Umschulungen sowie die Erleichterung des Zugang zu Ausbildung und Beruf von jungen Menschen mit Migrationshintergrund.

In Ergänzung zu den Pflegeberufen werden in Baden-Württemberg niederschwellige Ausbildungen im Vor- und Umfeld von Pflege erprobt. Dazu zählen die Ausbildung zur „Alltagsbetreuung“ sowie die Ausbildung zum „Servicehelfer“.

Weitreichende Veränderungen im Ausbildungsbereich könnten sich durch eine geplante generalistische Ausbildung24 ergeben. Die Zusammenführung der bislang getrennten Ausbildungen zur Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege stößt in der Fachwelt jedoch nicht nur auf positive Resonanz. Insbesondere Vertreter aus der Altenhilfe befürchten durch die Zusammenlegung der Ausbildungsgänge, dass viele Absolventen im Anschluss überwiegend in den finanziell lukrativeren Bereichen, wie Kliniken und Krankenhäuser, arbeiten und dadurch noch weniger Personal der Altenhilfe zur Verfügung steht.25

Die Einrichtungen und Pflegedienste im Landkreis Tuttlingen befürchten zudem einen Kompetenzverlust in jedem der drei Pflegeberufe sowie eine fehlende Bindung an einen Ausbildungsbetrieb.

Neben Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität der Ausbildung und Qualifizierung in der Altenpflege wird zunehmend auf die Rekrutierung von Fachkräften aus dem Ausland gesetzt. Heutzutage arbeiten in der Altenpflege Menschen aus unterschiedlichen Herkunftsländern, überwiegend kommen sie aus wirtschaftlichen Gründen aus Mittel-, Ost- und Südeuropa[6]. Mittlerweile gibt es auch offizielle Anwerbevereinbarungen mit Nicht-EU-Ländern und Drittstaaten, wie beispielsweise mit China, Vietnam, Tunesien, Serbien, Bosnien-Herzegowina und den Philippinen. Dabei wird zwischen der Rekrutierung ausgebildeter Pflegefachkräfte und Programmen, die eine Pflegeausbildung in Deutschland ermöglichen, unterschieden.


21 Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, 2014: Statistik aktuell. Pflegebedürftige in Baden-Württemberg. Stuttgart.

22 Für gute Perspektiven sorgen, in: Altenheim. Lösungen fürs Management. Heft 3/2016, S. 24.

23 Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK), Pressemitteilung vom 14.02.2012.

24 https://www.gfg-rostock.de/images/newsletter/3-15/Infos-Generalistische-Ausbildung-Gesetzentwurf. pdf

25 Enquetekommission, 2016: „Pflege in Baden-Württemberg zukunftsorientiert und generationengerecht gestalten“. Kurzfassung zum Abschlussbericht der Enquetekommission mit Handlungsempfehlungen. Landtag Baden-Württemberg.

26 Durch die Umsetzung der Arbeitnehmerfreizügigkeit ist es Bürgern aus EU-Mitgliedstaaten, den übrigen Ländern des Europäischen Wirtschaftsraums sowie der Schweiz erlaubt, eine Arbeit ohne die Erteilung einer gesonderten Aufenthaltserlaubnis aufzunehmen.

Handlungsempfehlungen

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